Montag, 21. Juni 2021

Risikoanalyse zur Neufassung des § 261 StGB

Elmar Scholz, Chief Compliance Officer, Abteilungsleitung Compliance, Prävention gegen Geldwäsche/Terrorismusfinanzierung/sonstige strafbare Handlungen, Compliance (WpHG), Spezialthemen (z. B. FATCA, QI), Sparkasse am Niederrhein

Am 11.08.2020 hatte das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vorgelegt. Damit soll nicht nur die EU-Richtlinie 2018/1673 in nationales Recht umgesetzt werden (Vorgabe war der 03.12.2020). Vielmehr soll mit den neuen gesetzlichen Anforderungen die Geldwäschebekämpfung in der BRD deutlich verbessert werden. Dies auf Basis eines „all-crime-Ansatzes“, der sowohl über die Anforderungen der o. g. EU-Richtlinie als auch über die Mindestempfehlungen der FATF bewusst hinausgeht. Bekannterweise wurde die Umsetzungsfrist seitens des deutschen Gesetzgebers nicht eingehalten. Das Gesetz wurde durch den Deutschen Bundestag am 11.02.2021 beschlossen und trat am 18.03.2021 in Kraft. Eine Umsetzungsfrist gab es – wie üblich – nicht. Schließlich hat im März 2021 auch die FATF-Deutschland-Prüfung begonnen.

Ausgangslage

Der Vortatenkatalog, der bisher in § 261 StGB gelistet war, beschränkte sich vielfach auf Straftatbestände, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen oder als schwerwiegende Straftaten zu klassifizieren waren (=gewerbs- und/ oder bandenmäßig begangene Straftaten). Die neue Ausrichtung orientiert sich an Taterträgen und Tatprodukten. Ohne die bisherigen „Einschränkungen“ wird somit fast jedwede kriminelle Handlung – auch bei Kleinstbeträgen – als taugliche Vortat zur Geldwäsche definiert. Somit löst bereits ein einfacher Betrugsfall zukünftig eine Prüfung im Nachgang hinsichtlich des Straftatbestandes der Geldwäsche aus. Die Zahl der zu betrachtenden und letztendlich auch zu meldenden Fälle – und damit der Bearbeitungsaufwand im Bereich Compliance – wird sich signifikant erhöhen.

Analyse

Nachfolgende Szenarien ergeben sich mit Inkrafttreten des Gesetzes unmittelbar für das Kreditinstitut:

  1. Das wesentliche Geldwäsche-Tool ist hinsichtlich der neuen Rechtsvorgaben, also z. B. auch auf die Rückverfolgung des einfachen Betruges hin – angefangen bei Kleinstbeträgen – umfänglich zu überprüfen/anzupassen. Die dann zu erwartenden generierten „Treffer“ sind sämtlich zu überprüfen, ob diese eine Verdachtsmeldung im Sinne des GwG auslösen. Die Trefferanzahl dürfte sich dabei geschätzt in einem dreistelligen Bereich bewegen.
  2. Versuchte Betrügereien, bei denen über andere Tools (z. B. zur Verhinderung von Betrug im Zahlungsverkehr gem. PSD II-Vorgaben) „Betrugsszenarien“ ermittelt werden, sind in die geldwäscherelevante Systematik einzuordnen und somit zu berücksichtigen.
  3. Gleiches gilt für Anwendungen, bei denen Institute für andere Verpflichtete entspr. im jeweiligen Haus aufgetretene Szenarien einstellen können – sofern eigene Kunden „betroffen“ sind.
  4. Eingehende Recalls sollten dem GwB zeitnah automatisiert gemeldet werden zwecks Beurteilung und ggfs. Abgabe einer Verdachtsmeldung. 
  5. Vor dem neuen gesetzlichen Hintergrund führen „Auskunftsersuchen“ der Staatsanwaltschaften/Polizeibehörden fast zwangsweise zu Verdachtsmeldungen nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass vielfach der Grund für das Auskunftsersuchen nicht angegeben ist. 
  6. Generell sind die Mitarbeiter des Institutes zu sensibilisieren/zu schulen. 
  7. Die gestellten Verdachtsmeldungen sind einem entsprechenden Monitoring zu unterziehen, bis staatsanwaltschaftliche Rückmeldungen vorliegen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der aufsichtlich geforderten Kundendatenaktualisierung relevant. 
  8. Da mit Änderung des § 261 StGB der Geldwäsche-Vortatenkatalog nun auf fast alle strafbaren Handlungen ausgedehnt wird, ist die bisher erfolgte Umsetzung der Anforderung aus § 25h KWG (Sonstige strafbare Handlungen) nebst den hierzu ergangenen AuA in der Risikoanalyse vollständig zu überarbeiten/zu aktualisieren. 
  9. Der jährliche FIU-Rückmeldebericht dürfte sich in der Position „Qualität der abgegebenen Verdachtsmeldungen“ in der Kategorie C (schlechte Qualität) deutlich verschlechtern – allein auf Grund der Fehleranfälligkeit bei deutlich steigender Anzahl an abzugebenden Verdachtsmeldungen.

PRAXISTIPPS

  • Die neue/geänderte Gesetzgebung hat weitreichende Folgen auf die Prozesse im Bereich Geldwäsche/Compliance. Eine Erhöhung der MaK-Zahlen sollte frühzeitig in die Wege geleitet werden.
  • Um den Programmierungsaufwand für die einzelnen Institute möglichst gering zu halten, wäre die Zurverfügungstellung von Musterindizien für die Monitoringprogramme sinnvoll, die dann institutsindividuell anzupassen sind.
  • Sofern nicht schon vorhanden, Festlegung organisatorischer Regelungen zur Information des GwB bei Vorliegen entspr. Sachverhalte (Betrug im elektronischen Zahlungsverkehr, Recalls, Meldedateien, Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden).
  • Sensibilisierung/Schulung der Institutsmitarbeiter hinsichtlich der neuen gesetzlichen Grundlage.
  • Zeitnahe Überarbeitung und Anpassung der Risikoanalyse.

Beitragsnummer: 18254

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