Freitag, 28. Januar 2022

StaRUG-Verfahren in die Kreditprozesse von Banken integrieren

Überlegungen zum professionellen Handling in Banken

Dieter Holtkötter, Diplom-Kaufmann, Restrukturierungsleiter bei einer Bank sowie Lehrbeauftragter für Unternehmenssanierung, Münster

Zum Jahresbeginn 2021 wurde mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) die EU-Richtlinie zur präventiven Sanierung durch den deutschen Gesetzgeber umgesetzt. Die seither in der Praxis bekanntgewordenen Fälle sind überschaubar. Prominentester Fall war bislang ein bekannter Oberhemdenhersteller, der – ohne Bankeinbindung – im Herbst 2021 durch dieses Verfahren gem. diverser Pressemitteilungen finanzwirtschaftlich restrukturiert werden konnte. 

Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass sich zukünftig StaRUG-Verfahren mit ihren kurzen Reaktionsfristen auch in der Bankpraxis häufen werden. Es stellt sich insoweit die Frage, wie dieses Verfahren in die bestehenden, aufsichtsrechtlichen Kreditprozesse einer Bank integriert werden kann. Dies ist auch erforderlich, um im konkreten Einzelfall Bankspezialisten schnell handlungsfähig zu machen.

 

Grundsätzliches

Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmen haben fortlaufend über Geschäftsentwicklungen zu wachen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden (§ 1 Abs. 1 StaRUG). Für drohend zahlungsunfähige Unternehmen i. S. d. § 18 Abs. 2 InsO besteht dann die Möglichkeit, durch Anzeige gem. § 31 StaRUG beim Restrukturierungsgericht ein StaRUG-Verfahren einzuleiten. Durch dieses Verfahren soll ein Insolvenzverfahren vermieden und das Unternehmen saniert werden.

Anders als in der freien konsensualen Sanierung ist die Anwendungsmöglichkeit dieses Verfahrens klar reguliert. Kernelement ist der Restrukturierungsplan, der die Situation des Unternehmens, die Gestaltungsansätze sowie eine hieraus abgeleitete Unternehmensplanung beinhaltet. Über diesen Plan haben die Planbetroffenen abzustimmen. Anders als bei der freien konsensualen Sanierung können dissentierende Gläubiger überstimmt und in den Plan mit einbezogen werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die überwiegende Mehrheit der betroffenen Gläubiger für das im Plan vorgeschlagene Vorgehen gewonnen werden müssen.  

 

Einbindung in den Risikofrüherkennungsprozess

Mit Kenntnis der Anzeige gem. § 31 StaRUG wird aus Sicht einer finanzierenden Bank ein erhöhtes Risiko bei ihrem Kreditnehmer offenkundig. Dieses Risiko muss die Bank bewerten und im Rahmen ihres eigenen Risikofrüherkennungsprozesses zeitnah klassifizieren und abbilden.

Die Bewertung von Risikolagen im Kreditgeschäft erfolgt im Risikofrüherkennungsprozess durch Ratingnoten und qualitative Risikotatbestände. Für die Risikoeinwertung einer Anzeige gem. § 31 StaRUG sollte ein (neuer) qualitativer Risikotatbestand „Anzeige gemäß § 31 StaRUG/Anzeige eines präventiven Restrukturierungsrahmens“ geschaffen werden, der zur Aufnahme auf die hausinterne Watch-List der Bank führt. Mit dieser Klassifizierung ist dann auch die zeitnahe Pflichtabgabe an Spezialisten der Restrukturierungsabteilung verbunden.

Ziel einer Sanierungsmoderation gem. § 94 StaRUG ist ein gerichtlich bestätigter Sanierungsvergleich zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern. Sie setzt keine Anzeige gem. § 31 StaRUG voraus. Grundlage der gerichtlichen Bestätigung ist ein Sanierungskonzept. Sollte die Notwendigkeit bestehen, ein Sanierungskonzept für den Schuldner zu erstellen, führt dies zur Aufnahme auf die hausinterne Watch-List der Bank. Spezialisten der Restrukturierung sind gem. MaRisk, BTO 1.2.5 Tz. 1 einzubinden.   

 

Einordnung im Rahmen der Ausfalldefinition

Das Restrukturierungsgericht kann auf Antrag des Schuldners Zwangsvollstreckungsmaßnahmen untersagen oder einstellen (§ 49 Abs. 1 StaRUG). Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Falle der Insolvenzeröffnung als Absonderungsrechte geltend gemacht werden, dürfen im Rahmen einer solchen Stabilisierungsanordnung nicht durchgesetzt werden, sofern sie für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind. Diese Anordnung kann sich gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger eines Schuldners richten. 

Insoweit hat die Bank bereits mit Kenntnis der Anzeige nach § 31 StaRUG frühzeitig zu prüfen, ob mit einer Stabilisierungsanordnung gegen sie als finanzierende Bank zu rechnen ist. Dies dürfte der Fall sein, sofern der Schuldner wesentliche Restrukturierungsbeiträge von ihr im Rahmen seiner Restrukturierungsplanung vorgesehen hat und er mit dem Widerstand der dann planbetroffenen Bank rechnet.

Die Ausfalldefinition der Bank sollte für diesen Fall um einen Ausfalltatbestand erweitert werden. Mit der Verkündung einer solchen Anordnung liegt dann zukünftig ein „harter“ Ausfalltatbestand „Stabilisierungsanordnung gem. § 49 StaRUG gegen die Bank erfolgt oder erwartet“ vor. Es erfolgt die zwingende Aufnahme auf die hausinterne Default-Liste. 

 

Einwertung vertraglicher Anpassungen aufgrund eines Restrukturierungsplans als Forbearance-Maßnahme

Grundsätzlich sind StaRUG-Verfahren gerichtliche Sanierungsverfahren. Kernelement ist – wie oben beschrieben – der Restrukturierungsplan des Schuldners, über den die Planbetroffenen – ggf. unter gerichtlicher Einbindung – abzustimmen haben. Sollten im Rahmen eines Restrukturierungsplans bestehende vertragliche Vereinbarungen zwischen der Bank und dem Kreditnehmer geändert werden, ist für die Beurteilung, ob es sich um Forbearance-Maßnahmen handelt, eine Einzelfallbetrachtung sinnvoll.

Vertragliche Anpassungen aufgrund eines Restrukturierungsplans kommen grundsätzlich einem vertraglichen Zugeständnis der Bank und damit einer Forbearance-Maßnahme gleich. Sofern die vertraglichen Anpassungen aber ohnehin von Seiten der Bank vorgesehen sind – z. B. bei üblichen Prolongationen – liegt die Einschätzung nahe, dass es sich nicht um eine Forbearance-Maßnahme handelt. Bei Vorliegen einer Forbearance-Maßnahme liegt der Ausfalltatbestand „krisenbedingte Restrukturierung“ vor. Damit greift die zwölfmonatige Wohlverhaltensperiode im Rahmen einer späteren möglichen Wiedergesundung des Engagements. 

 

PRAXISTIPPS

  • Klare Regeln und Zuständigkeiten für den internen Umgang mit StaRUG-Verfahren auf Grundlage aufsichtsrechtlicher Vorgaben sollten frühzeitig in den Richtlinien der Bank verankert werden. Hierdurch können interne Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse beschleunigt und Handlungsmöglichkeiten im Rahmen von Planabstimmungen optimal genutzt werden.
  • Entsprechendes Spezial-Know-how hat die Bank vorzuhalten bzw. sicherzustellen, da die Abläufe dieses Verfahrens sehr komplex sind und die zeitlichen Reaktionsmöglichkeiten insbesondere im Rahmen von Planabstimmungen sehr begrenzt sein können. 

Beitragsnummer: 19552

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Gläubigerausschuss und Gläubigerbeirat in Restrukturierung und Insolvenz des Firmenkunden

95,00 € inkl. 7 %

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Immobilienunternehmen in der Insolvenz – aus Bankensicht

Der langjährige Immobilienboom sorgt für eine enorme Fallhöhe der Baubranche. Bauvorhaben bleiben unvollendet - es häufen sich Insolvenzanmeldungen.

06.02.2024

Beitragsicon
Neue MaRisk: Fokus Kreditvergabeprozesse

Auswirkungen der neuen MaRisk Vorgaben auf die Kreditprozesse

22.08.2023

Beitragsicon
Relevanz des unternehmerischen Frühwarnsystems für Kreditinstitute

Neben Kreditinstituten müssen auch haftungsbeschränkte Gesellschaften ein Risikofrüherkennungssystem vorhalten. Die Bedeutung für beide Seiten ist enorm.

30.04.2024

Beitragsicon
Gesprächsführung als ein Schlüssel für den Erfolg in Krisensituationen

Je komplexer die Situation, desto wichtiger die Kommunikation. Gerade in der Sanierung ist diese mit ausschlaggebend für den Sanierungserfolg.

19.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.