Donnerstag, 19. Mai 2022

Sittenwidrigkeit solcher als Darlehen getarnter Provisionszahlungen

Beweislast für die Hingabe des Darlehens

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In einem Fall, in dem die Klägerin an die Beklagte für die Möglichkeit des Erwerbs eines Grundstücks 50.000,00 € in bar, als Darlehen getarnt, ausgezahlt und zu einem späteren Zeitpunkt die Rückzahlung des Darlehens begehrt hatte, hielt das OLG Schleswig in seinem Urteil vom 07.12.2021, Az. 7 U 53/19 (BeckRS 2021, 38720), zunächst fest, dass derjenige, der die Rückzahlung eines Darlehens begehre, auch die Hingabe des Geldes als Darlehen beweisen müsse, wobei hierfür nicht ausreichend sei, dass der Darlehnsgegenstand aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden wird. Vielmehr müsse der Darlehensgegenstand auch dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form endgültig zugeführt worden sein. Hierfür reiche es wiederum aus, wenn die Darlehensvaluta mit Zustimmung des Darlehensnehmers zum Zwecke der Erfüllung an einen Dritten geleistete wird (Rn. 35).

Diese Grundsätze zugrunde legend gelangt das OLG Schleswig nach Durchführung der Beweisaufnahme zum Ergebnis, dass die Beklagte die 50.000,00 € als Darlehen erlangt hat.

Sodann stellte das OLG Schleswig fest, dass der so zustande gekommene Darlehensvertrag nicht wegen Eingehung eines sogenannten Scheingeschäfts i. S. v. § 117 BGB unwirksam sei (Rn. 37). Ein Scheingeschäft liege nämlich nur dann vor, wenn die Parteien einvernehmlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen. Dabei trifft denjenigen die Beweislast, welcher sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts aufgrund dessen Scheincharakters beruft (Rn. 38).

Hieran anschließend prüft das OLG Schleswig, ob der Darlehensvertrag aus weiteren Gründen nichtig sei. Dabei gelangt das OLG Schleswig zum Ergebnis, dass der abgeschlossene Darlehensvertrag unter dem Gesichtspunkt der sogenannten „missbilligten Kommerzialisierung" wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. In diesem Zusammenhang weist das OLG Schleswig darauf hin, dass der Bundesgerichtshof zur Frage der Sittenwidrigkeit von Schmiergeldern bereits frühzeitig entschieden habe, dass Zuwendungen an Organe, sonstige gesetzliche Vertreter oder Angestellte, um – wie im konkreten Fall auch – eine Bevorzugung beim Abschluss von Verträgen, insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen, zu erzielen, gegen die einfachsten grundlegenden Gesetze des geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitten verstoßen würde (Rn. 43). Es sei nämlich in hohem Maße anstößig, dem Verhandlungsführer des Vertragspartners, dem dieser vertraut, ein Schmiergeld für den Fall zu zahlen, dass es zum Vertragsabschluss kommt. Dadurch würde nämlich die Gefahr heraufbeschworen, dass der Verhandlungsführer vor allem im eigenen Provisionsinteresse handelt und die Interessen des von ihm Vertretenen nicht in dem gebotenen Maße wahrnimmt (Rn. 43).

Nachdem somit der Darlehensvertrag wegen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig war, wurde der Klägerin die Rückzahlung ihres Darlehens gegenüber der Beklagten verwehrt. Dabei stellte das OLG Schleswig noch fest, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Rückzahlung der 50.000,00 € auch nicht auf §§ 812, 817 BGB stützen könne. Zwar sei der Empfänger gemäß § 817 BGB zur Herausgabe dann verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung derart bestimmt ist, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Allerdings sei gemäß § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung in einem solchen Fall dann ausgeschlossen, wenn dem Leistenden, wie im konkreten Fall auch, gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt.

 

PRAXISTIPP

Der Fall des OLG Schleswig zeigt einmal mehr, dass die Beweislastverteilung immer wieder ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg einer Klage sein kann. Wäre es bspw. im hiesigen Falle der Beklagten nicht gelungen, darzulegen und zu Überzeugung des Senats zu beweisen, dass es sich bei der Bargeldzahlung über 50.000,00 € um eine Schmiergeldzahlung gehandelt hat, wäre sie zur Rückzahlung der 50.000,00 € verurteilt worden, nachdem der Klägerin gelungen war, darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagte das Darlehen i. S. v. § 488 BGB empfangen hat.


Beitragsnummer: 21696

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