Freitag, 30. September 2022

Neues Stiftungsrecht - wo geht die Reise 2023 hin?

Sigrid Laves, Rechtsanwältin, BRANDI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hannover


Am 01.07.2023 tritt das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsprivatrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes in Kraft (BGBl I Nr.46, S. 2947) und hebt die bisher sehr unterschiedliche Genehmigungspraxis aus 16 Landesstiftungsgesetzen auf Bundes-ebene. Die Landesstiftungsgesetze, die ebenfalls zum Juli nächsten Jahres in Kraft treten sollen, werden dann nur noch aufsichtsrechtliche Funktion haben. Die Musik spielt materiell- rechtlich dann nur noch im BGB!

Das neue Recht regelt fortan verbindlich und bundeseinheitlich die wichtigsten Themen im Stiftungsprivatrecht für rechtsfähige Stiftungen – wie z. B. Zweck- und Satzungsänderung, Zu- und Zusammenlegung sowie Umwandlung von Ewigkeitsstiftungen in Verbrauchsstiftungen.

Es wird z. B. ein dreistufiges System für Satzungsänderungen eingeführt: 1. Änderung des Stiftungszwecks in einem Maß, das die Identität der Stiftung verändert, 2. Änderung prägender Satzungsänderungen, 3. Änderung sonstiger Regelungen.

Auch die Zu- und Zusammenlegung gestaltet die Reform als eigenständiges Verfahren zur Vermögensübertragung mit Erhaltung der Zweckbindung durch Vertrag. Die präzisen Verfahrensregeln für die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung im Falle von Vermögensverlust oder dauerndem erheblichem Ertragsrückgang tragen geänderten wirtschaftlichen Entwicklungen adäquat Rechnung. Die Vorschriften in § 80 bis § 88 BGB schaffen Klarstellung bei der Erhaltung und Verwaltung des Stiftungsvermögens und bei den Maßstäben der Organhaftung. Stiftungsvermögen darf „angetastet“ werden, soweit das Wiederauffüllungsgebot beachtet wird. Umschichtungsgewinne (z. B. Kursgewinne aus Aktien) dürfen für Projekte, d. h. zur Erfüllung des Stiftungszwecks, eingesetzt werden. Ähnliches gilt für Nutzungen aus dem Grundstockvermögen (z. B. Mieterträge, Zinsen, Dividenden). Die neue Business Judgement Rule (analog § 93 AktG) konkretisiert angesichts der wachsenden Aufgaben des Stiftungsorgans – z. B. im Niedrigzinsumfeld bei Anlageentscheidungen – den zukünftigen Haftungsmaßstab bei Geschäftsführeraufgaben entsprechend auf die „Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsführers“.

Ferner wird zum 01.07.2026 ein Stiftungsregister eingeführt, dem verlässlich die Vertretungsbefugnis von Stiftungsorgangen entnommen werden kann und das rechtliche Publizitätswirkung entfaltet. Die Eintragungen ins Register werden im Jahr 2026 Pflicht. Eine noch zu erlassende Rechtsverordnung wird sich u. a. mit den Sonderregelungen für Altstiftungen und Regelungen zur Beschränkung der Einsichtnahme in sensible Daten und Informationen beschäftigen. Mit der Eintragung müssen selbstständige Stiftungen den Namenszusatz „e. S.“ (eingetragene Stiftung) oder Verbrauchsstiftungen den Zusatz „e. VS.“ führen.

PRAXISTIPPS

Folgende Handlungsempfehlungen für bestehende Stiftungen sind bereits jetzt zu beachten, da die Reform mangels Übergangsregelungen eine echte Vorwirkung entfaltet:

  • Satzungen sollten inhaltlich – z. B. hinsichtlich der Flexibilisierung im Umgang mit Stiftungsvermögen, der Haftungsregelungen, der Zu- und Zusammenlegung, der bisherigen Voraussetzungen für Satzungsänderungen; strukturell – bzgl. der Aufgaben und Befugnisse der Organe; redaktionell – hinsichtlich der Begrifflichkeiten (Grundstockvermögen, sonstiges Vermögen, Nutzungen), Widersprüchen, missverständlichen Klauseln, bei der Vermögensbewirtschaftung überprüft werden. Weicht die Satzung vom neuen Stiftungsrecht ab? Ist die Abweichung zulässig oder nicht? Sind etwaige Änderungen vom ursprünglichen Stifterwillen noch umfasst?
  • Es sollten Überlegungen zum Zeitpunkt von Satzungsänderungen angestellt werden. Was ist günstiger: altes Recht, neues Recht? In einigen Landesstiftungsgesetzen (NRW) müssen Satzungsänderungen nur mitgeteilt, aber nicht genehmigt werden. Gegebenenfalls sollten daher Satzungsänderungen vor dem 01.07.2023 durchgeführt werden.
  • Ferner bietet sich an, bereits parallel grundsätzliche, zukunftsorientierte Überlegungen anzustellen. Dazu gehören u. U. die Einführung eines 4-Augen-Prinzips, die Normierung von Compliance-Regeln bzw. Regeln zur Beachtung von GWG-Vorgaben und Datenschutzbestimmungen. Zusätzlich sollten etwaige Interessenkonflikte vermieden werden.
  • Die Klärung von Haftungsfragen, die Festlegung von Verantwortungsbereichen in den Organen, die anzahlmäßige Zusammensetzung von Gremien, neue praktische Sitzungsregelungen mit elektronischen Beschlussformen und Festlegungen von Dokumentationsvorschriften stellen wichtige und zukunftsträchtige Fragen dar, die sich jede Stiftung vor dem Hintergrund der Reform JETZT stellen und im Vorwege mit der Stiftungsaufsicht absprechen sollte.

Beitragsnummer: 21842

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