Donnerstag, 30. März 2023

Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld

Klarstellungen zum gepfändeten Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld

Andreas Behrendt, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) bei einem kreditwirtschaftlichen Verband

In seinem Urteil vom 2. Juni 2022, Az.: V ZR 132/21 (NJW 2022, 2544) setzt sich der Bundesgerichtshof mit zentralen Fragen der Pfändung von Ansprüchen einer Sicherungsgrundschuld auseinander.  

Der BGH verweist zunächst auf seine ständige Rechtsprechung. Danach kann der Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld bereits vor Bedingungseintritt abgetreten und gepfändet werden. Der Vollstreckungsgläubiger (die Klägerin) kann infolge der Pfändung das Recht des Vollstreckungsschuldners (hier des Sicherungsgebers) im eigenen Namen geltend machen und damit nach einer Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld grundsätzlich auch die Löschung der Grundschuld verlangen. Insbesondere dann, wenn der Pfändungsgläubiger zugleich Gläubiger eines nachrangigen Rechts sei, da sich sein Recht – nach der Löschung der Grundschuld – im Rang verbessere (Verbot der zwecklosen Pfändung, § 803 ZPO).

Die (teilweise) Löschung der Grundschuld durch den Vollstreckungsgläubiger setzt jedoch, voraus, dass die aufschiebende Bedingung des Anspruchs auf Rückgewähr der Grundschuld eingetreten ist. Erst ab Bedingungseintritt muss der Sicherungsnehmer (die Beklagte) dem Pfändungsgläubiger die Grundschuld zurückgewähren, wobei sich dies nach der Sicherungsabrede richtet. Bei einem weiten Sicherungszweck, der die Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt. Dies ist (erst) mit Beendigung der Geschäftsbeziehung oder Beendigung oder Änderung der Sicherungsabrede der Fall. Mangels Bedingungseintritts besteht kein Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr der Grundschulden. Durch die weite Zweckerklärung ist eine Neuvalutierung der Grundschuld nicht ausgeschlossen. Die Pfändung der Klägerin ändert nichts an der Möglichkeit einer nachträglichen Neuvalutierung. Der Pfändungsgläubiger hat den Anspruch auf Rückgewähr nur in der Form gepfändet, wie er nach der Sicherungsvereinbarung besteht. Auch eine vorübergehende Übersicherung rechtfertigt keine (Teil-)Freigabe. Vorübergehend ist eine Übersicherung bei einer weiten Sicherungsabrede bis sie endgültig ist. Also erst dann, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer beendet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt worden ist.

Unter diesen Prämissen hat die Klägerin das Freigabeverlangen nicht wirksam geltend machen können. Durch geltend machen der Rückgewähr einer nicht oder nicht voll valutierten Grundschuld liegt zwar regelmäßig die konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede, da die Kündigung nicht ausdrücklich erklärt werden muss. Die Pfändung des Rückgewähranspruchs gewährt dem Vollstreckungsgläubiger jedoch kein Kündigungsrecht.

 


PRAXISTIPPS

Die interessengerechte und gut begründete Entscheidung des V. Zivilsenats enthält praxisrelevante grundschuldrechtliche Aussagen. 

  • Der Pfändungsgläubiger hat den Anspruch auf Rückgewähr nur in der Form pfändet, wie er nach der Sicherungsvereinbarung besteht. Damit muss der Pfändungsgläubiger (ebenso wie der Zessionar bei der Abtretung des Rückgewähranspruchs) vor der Pfändung getroffene Abreden zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer gegen sich gelten lassen.
  • Ein Anspruch des Pfändungsgläubigers (des Zessionars des Rückgewähranspruchs) gegen den Sicherungsgeber den Rückgewähranspruch fällig zu stellen – die Sicherungsabrede zu kündigen – besteht nicht 

Der IX. Zivilsenat hat auf Nachfrage des V. Zivilsenats mitgeteilt, dass er an seiner Formulierung im Urteil vom 10.11.2011 − IX ZR 142/10, die aufschiebende Bedingung trete bei einer weiten Sicherungsabrede schon mit der vollständigen Tilgung der Schulden ein und die zulässige Revalutierung sei nur als auflösende Bedingung anzusehen, nicht mehr festhält. 

Das Urteil sorgt für eine einheitliche BGH-Rechtsprechung und somit für mehr Rechtssicherheit in der Praxis.


Beitragsnummer: 21940

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