Sonntag, 30. April 2023

Geldwäsche im Profifußball – ein Spiel ohne Schiedsrichter

Wie die seit Jahren anhaltende Kommerzialisierung den beliebten Volkssport zur Gelddruckmaschine für Anleger und Investoren verwandelte

Rachid Tahrioui, Senior Manager AML & Compliance, Hyundai Capital Europe Bank GmbH

Dubiose WM-Vergaben, beschlagnahmte Rolex-Uhren, Bilanzfälschungen – Bestechung und Korruption sind nicht nur spätestens seit dem Sommermärchen 2006 an der Tagesordnung des Profifußballs. Mittlerweile zeigen sich immer mehr Arten an Finanzkriminalität beim Publikumsmagnet, so auch der Tatbestand der Geldwäsche. Doch wie werden die schmutzigen Gelder in das Fußball-Geschäft eingeschleust? Die aktuellen Geschehnisse in Europas Profiligen, die jüngsten Diskussionen der EU-Kommission und die Sichtweise zuständiger Behörden zeigen, dass diese Typologie längst kein Novum mehr ist.

I. Zunehmende Inflation im Fußballgeschäft

Rekordablöse in Höhe von 222 Mio. EUR; gepaart mit Jahresgehältern im mittleren zwei- bis dreistelligen Millionenbereich. Ob die Transfersumme für einen Neymar, das angebliche Jahresgehalt eines Kylian Mbappe oder der jüngst für Aufsehen erregende Wechsel in Höhe von 70 Mio. EUR von Mykhaylo Mudrik zum Londoner Football Club Chelsea – einem bis dato unbekannten ukrainischen Nationalspieler dessen Marktwert im Jahre 2021 noch bei 200.000 EUR lag: wirklich verwunderlich erscheinen diese Summen für den einfachen Fan des Fußballs nicht mehr. Zu hoch sind mittlerweile die Ablösesummen und Jahresgehälter von Profifußballern, jedoch sind sie damit nicht allein. Boni und Handgelder für Spielerberater, Werbeverträge und TV-Rechte: Das Fußball-Business boomt und lockt durch seine Popularität zahlreiche Investoren an, dieses vermehrt als Platzhalter für ihr Vermögen und dubiose Geschäfte zu nutzen

Allein ein Blick auf die Transferaktivitäten der fünf europäischen Top-Ligen zeigt die rasante Entwicklung, die der Profifußball mittlerweile angenommen hat:

Abbildung 1: Transfersalden (Einnahmen und Ausgaben) in der Saison 2002/2003[1]

[...]
Beitragsnummer: 22099

Wettbewerb

Ausgaben (in EUR)

Einnahmen (in EUR)

Saldo (in EUR)

Premier League 

335,58 Mio. 

127,49 Mio. 

-208,09 Mio. 

Serie A 

326,94 Mio.

374,57 Mio.

47,63 Mio. 

La Liga

185,31 Mio. 

63,56 Mio. 

-121,76 Mio. 

Bundesliga

120,89 Mio. 

61,15 Mio. 

-59,74 Mio.

Ligue 1

73,38 Mio.

120,26 Mio.

46, 89 Mio.

 

Abbildung 2: Transfersalden (Einnahmen und Ausgaben) in der Saison 2022/2023[2]

Wettbewerb

Ausgaben (in EUR)

Einnahmen (in EUR)

Saldo (in EUR)

Premier League 

3,08 Mrd. 

1,01 Mrd.

-2.070,48 Mio.

Serie A 

831,55 Mio. 

868,63 Mio.

37,09 Mio.

Ligue 1

697,45 Mio. 

796,77 Mio.

99,32 Mio. 

La Liga

560,02 Mio.

512,15 Mio.

-47,87 Mio.

Bundesliga

554,15 Mio.

603,54 Mio.

49, 38 Mio.

 

Den oben abgebildeten Tabellen ist zu entnehmen, dass insbesondere die Profiligen in England (Premier League) und Frankreich (Ligue 1) ihre Transferausgaben ca. verzehnfacht haben. Gerade in diesen Ligen sind die Profi-Mannschaften im Besitz von meist ausländischen Privatinvestoren.

Sei es ein Roman Abramowitsch – russischer Oligarch und langjähriger Besitzer des Londoner Football Clubs Chelsea – welcher im Sommer 2003 den Fußball-Club aus der Hauptstadt Großbritanniens für 150 Mio. Pfund gekauft hatte, dessen Anteile am Klub jedoch im Rahmen der verschärften Sanktionen eingefroren worden sind, oder ein Nasser Ghanim Al-Khelaifi – katarischer Geschäftsmann und Präsident des französischen Fußballvereins Paris Saint-Germain. 

Dies sind nur zwei Beispiele unter zahlreichen Top-Klubs in Europa, welche ihre Anteile an Milliardäre, Oligarchen und Unternehmer verkauft haben. Dass dieses Phänomen im Ausland häufiger zu beobachten ist als hierzulande, liegt an der sogenannten 50+1-Regel. Dies ist eine Vorschrift aus den Statuten der Deutschen Fußball-Liga, welche besagt, dass die Mehrheit der Anteile eines Vereins immer in den Händen der Mitglieder liegen soll, um den Einfluss von Investoren zu begrenzen.

Seit Jahren wird die 50+1-Regel kontrovers diskutiert. Hintergrund dieser Regelung ist, dass verhindert werden soll, dass Kapitalgeber die vollständige Kontrolle über die Profimannschaften von Vereinen übernehmen, wie dies vielfach in der englischen Premier League praktiziert wird. So sollen die sportlichen Interessen der Vereine vor den wirtschaftlichen Interessen der Investoren gewahrt werden. 

Jedoch kritisieren einige Funktionäre der deutschen Profiligen, dass die Bundesliga im internationalen Vergleich zu anderen Profiligen in finanziellen Rückstand gerate und sportlich auf internationaler Ebene nicht mithalten könne.

II. Zweifelhafte WM-Vergaben, Bilanzfälschungen, korrupte Spielerberater – die Skandale häufen sich 

Möchte man alle Skandale des Fußballgeschäfts auflisten, so reicht die Maximalvorgabe der Anzahl an Schriftzeichen seitens der Redaktion nicht aus. In den letzten Jahrzehnten glänzten zahlreiche Verbände – beispielsweise die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) oder der DFB (Deutscher Fußball Bund) – durch zahlreiche Korruptionsvorwürfe. So stehen die Vergabe des Sommermärchens von 2006, die Weltmeisterschaften von 2018 in Russland und die jüngst ausgetragene WM in Katar alle im Verruf, unter dubiosen Machenschaften beschlossen worden zu sein. 

Das geht beispielsweise aus einem Bericht der WELT hervor, wonach der Schweizer Generalstaatsanwaltschaft 53 Verdachtsfälle von Geldwäsche gemeldet worden seien, welche im Zusammenhang mit der WM-Vergabe von 2018 und 2022 stehen. Demzufolge soll ein Ex-Mitglied des FIFA-Komitees Zahlungen im zweistelligen Millionenbereich aus Katar erhalten haben[3].

Für weitaus größere Schlagzeilen sorgte hierzulande die Rolex-Affäre um Karl-Heinz Rummenigge – bis 2021 Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG und aktueller Vorsitzender der European Club Association (ECA), einer selbstständigen und unabhängigen Interessenvertretung der europäischen Fußballvereine. Als hochrangiger Funktionär des Fußballs genießt seine Stimme einen entsprechenden Ruf in der Branche. 

Laut mehreren übereinstimmenden Berichten sei Rummenigge 2013 bei der Rückkehr von einem Katar-Besuch am Münchner Flughafen mit zwei Rolex-Uhren mit einem Gesamtwert im sechsstelligen Bereich erwischt worden. Hintergrund des Besuchs in Katar war eine Einladung der European Club Association (ECA) in Doha seitens der Kataris. Überraschenderweise habe sich Rummenigge eine Woche später erstmals als prominenter Befürworter der WM in Katar geäußert[4]

Ein weiteres Beispiel der jüngsten Vergangenheit ist der Bilanz-Skandal um den italienischen Serienmeister Juventus Football Club – im deutschsprachigen Raum bekannt als Juventus Turin –, welchem Anfang 2023 Bilanzmanipulationen vorgeworfen wurde. Demnach habe der Verein Angaben in seinen Bilanzen manipuliert, um so mehr Geld für Spielertransfers zur Verfügung zu haben. Es handele sich demnach um fingierte Spielerbewertungen zwischen den Jahren 2018 und 2020, welche verwendet wurden, um die Vereinsbilanz um mehrere Millionen Euro zu verbessern[5].

Neben Fußballvereinen und hochrangingen Funktionären internationaler Fußballverbände tummeln sich zudem noch Spielerberater im Haifisch-Becken des Profifußballs. Ihnen werden meist die größte Gier und Bestechlichkeit nachgesagt. Untermauert wird dies durch ein Verfahren der belgischen Strafverfolgungsbehörden, welche 2019 gegen die Privatperson Christophe Henrotay – bekannter Vermittler und Spielerberater (u. A. von Real Madrids Torhüter Thibaut Courtois) – wegen des Verdachts auf Geldwäsche ermittelte und diesen auch festgenommen hatte. Die Tatbestände hätten demnach dem Vorwurf der Geldwäsche und die Privatbestechung im Zusammenhang mit dem Transfer von Fußballspielern betroffen[6].

Bei diesen Ereignissen handelt es sich lediglich um einen Bruchteil an dubiosen Tatbeständen, jedoch zeigen diese drei Vorfälle allein die erhöhte Anfälligkeit des Fußball-Business für Finanzkriminalität. 

III. Wann wird die EU-Kommission ihrer Rolle als „Schiedsrichter“ endlich gerecht? 

All die vorangegangenen Beispiele zeigen, dass der Profi-Fußball mittlerweile zurecht als Hochrisiko-Segment betrachtet werden kann. Jedoch kommt schnell die Frage auf, warum Politik und Wirtschaft bis dato tatenlos zugesehen haben, obwohl sich die Skandale häufen und die Thematik Geldwäsche im Fußball bereits langjährig diskutiert wird.  

So stufte die Financial Action Task Force (FATF) – internationaler Standardsetzer zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen – den Profifußball bereits im Jahr 2009 in ihrer Publikation „Money Laundering through the Football Sector“ unter einem hohen Risiko ein. Demnach habe der Profifußball aufgrund seiner Kommerzialisierung ein starkes Wachstum erfahren. 

Die grenzüberschreitenden Transaktionen für astronomische Ablösesummen, beträchtliche Beraterzuwendungen, gewinnfixierte Geldgeber, steigende Spielergehälter und teure TV-Einnahmen bieten ein Einfallstor für Geldwäsche, Korruption und Betrug[7].

Eine EU-Parlamentssitzung vom 28. März 2023 könnte nun dieses Einfallstor dicht machen, da in jener Sitzung die oben genannte Problematik diskutiert und in wesentliche Erkenntnisse verfasst wurde. So geht aus einem Verordnungsentwurf der 6. Geldwäscherichtlinie (6AMLD) der EU-Kommission hervor, dass auch hochrangige Fußballvereine zu umfassenden KYC-Maßnahmen verpflichtet werden[8].

Eine Aufnahme von Profifußball-Vereinen in den Verpflichteten-Kreis des GwG (Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten) nach § 2 wird bereits länger diskutiert. 

Neben der FATF hatten auch bereits mehrere Politiker und Europol – Polizeibehörde der EU – davon berichtet, selbige Ansicht zu diesem Thema zu teilen[9]. Demnach sind die neuen Maßnahmen, welche im Rahmen des Verordnungsentwurfs der 6AMLD diskutiert werden, längst überfällig.

IV. Wie Fußballvereine zur Geldwäsche missbraucht werden? 

Abbildung 3: Übersicht „Wie Fußballvereine zur Geldwäsche missbraucht werden“

Quelle: Police dismantle Russian money laundering ring operating in the football sector (Europol, 2016)

 

Anders das allgemein bekannte 3-Phasen-Modell der Geldwäsche veröffentlichte Europol im Jahre 2016 ein Methodenpapier, wonach die Phasen der Geldwäsche im Profifußball sich in vier Schritte einteilen lässt, welche wie folgt aussehen:

1. Schritt 1: Finden eines Profiklubs, welcher sich in finanzieller Schieflage befindet

Aufgrund der heutigen Dimensionen von Gehältern, Transferablösen etc. sind Vereine aus dem Profifußball ähnlich zu Wirtschaftsunternehmen auf finanzielle Einnahmen angewiesen. Haupteinnahmequellen sind meist die verbundenen Prämien bei sportlichem Erfolg – so beträgt beispielsweise die erhaltene Startprämie aller Klubs in der Champions League, dem höchsten internationalen Klub-Turnier Europas, 15,64 Mio. EUR pro Saison –, das Merchandising des Klubs – darunter Sponsorengelder, Einnahmen aus TV-Rechten, Verkauf von Fan-Artikel, Ticketeinnahmen etc. – sowie die erhaltene Ablöse bei Spielerverkäufen – wobei an dem bereits oben erwähnten Beispiel des Spielers Mykhaylo Mudrik zu sehen ist, wie schwankend bzw. instabil der Marktwert eines Spielers ist.

Bei der Betrachtung lässt sich leicht feststellen, in welchem Teufelskreis sich Profi-Fußballvereine heutzutage befinden. Bei sportlichem Misserfolg sinkt nicht nur das Interesse potenzieller Sponsoren sowie Fans, sondern auch die Marktwerte der dazugehörigen Spieler.

Dementsprechend sind die grauen Mäuse – zu sehen an den Beispielen Hertha BSC Berlin aus der Bundesliga oder Newcastle United in der englischen Premier League – die perfekten Targets für solch ein Vorhaben.

2. Schritt 2: Durch finanzielle Zusagen Vertrauen im Klub gewinnen

Nun gilt es, durch Spenden und kurzfristigen Investments, die jeweiligen Stakeholder eines Profiklubs – darunter Geschäftsführung, Aufsichtsrat, sportliche Leitung und Fans – zu überzeugen. Damit einhergehend ist eine gewisse Aufbruchsstimmung im Verein, welcher aus dem Niemandsland der Tabelle wieder um die internationalen Top-Plätze konkurrieren möchte. Ähnlich zur Causa Hertha BSC Berlin, bei welchem der Privatinvestor Lars Windhorst – deutscher Unternehmer mit Wohnsitz in London – im Jahre 2019 eingestiegen ist und den sich seit Jahren in sportlicher Talfahrt befundenen Hauptstadtklub wieder als „Big City Club“ auf Vordermann bringen wollte. Kurzfristig wurden mehrere Spielerkäufe im zweistelligen Millionenbereich in Gesamthöhe von ca. 75 Mio. EUR getätigt – darunter der vereinsinterne Rekordtransfer des Spielers Lucas Tousart in Höhe von 24 Mio. EUR. Transfers, zu denen der Klub nie im Stande gewesen wäre, hätte man sich der eigenen Mittel bedient.

3. Schritt 3: Kauf des Klubs und Integration ins undurchsichtige Netzwerk  

Sobald man über die Anteile des Klubs verfügt, ist dessen Netzwerk eine perfekte Plattform, um als Deckmantel für dubiose Geschäfte zu fungieren. Sei es durch den Kontakt zu Agenturen von Spielerberatern, ausländischen TV-Anbietern und Streaming-Dienstleistern, zusätzlichen Sponsoren: all diese Marktteilnehmer sitzen meist weit verstreut im Ausland – womit die Anzahl nicht nachvollziehbarer Geschäfte und Dienstleistungen sowie grenzüberschreitender Geldströme steigt. 

4. Schritt 4: Geldwäsche durch überteuerte Spielertransfers, TV-Einnahmen und Wettaktivitäten 

Im letzten Schritt kommt es nun zu den eigentlichen Waschvorgängen. Einer davon ist das Overpricing bei Spielertransfers, wobei illegale Gelder vom Investor in den Kreislauf des Profifußballs geschleust werden, in dem weitaus mehr an Ablöse für die Spieler gezahlt wird, als deren Marktwert hergibt. Die Premier League in England ist ein Paradebeispiel dafür. Verfolgt man den Tenor einiger Sportdirektoren, so verlangen Fußballvereine aus den anderen europäischen Ligen bei Angeboten von Vereinen aus der englischen Premier League meist ein Vielfaches an Ablösesumme als bei inländischen Angeboten. Hinzu kommen die Verhandlungsmöglichkeiten bei der Vergabe von überteuerten TV-Rechten und illegalen Wettaktivitäten durch Spielmanipulationen. 

Gerade Letzteres ist spätestens seit der sog. Hoyzer-Affäre aus dem Jahre 2004 in Fußball-Deutschland bekannt. Hintergrund sind Spielmanipulation durch den Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer, welcher mehrere Spiele manipulativ beeinflusst habe, um sich einen geldwerten Vorteil zu verschaffen, da er Wetten auf die Ergebnisse dieser Spiele platziert habe[10]

V. Best Practice: Hertha BSC Berlin und Newcastle United Football Club

Um den zuvor geschilderten Schritten einen gewissen Nachdruck zu verleihen und zu bestätigen, dass es sich dabei nicht nur um bloße Theorie handelt, reicht ein Blick auf die jüngere Vergangenheit der Profifußball-Klubs Hertha BSC Berlin und Newcastle United Football Club. 

VI. Die Causa Windhorst/Hertha BSC 

Hertha BSC Berlin – auch bekannt als Hertha BSC oder die Alte Dame – ist seit Jahrzehnten ein bekanntes Gesicht der Bundesliga. Spätestens nach Ausgliederung der Profi-Fußballmannschaft in die Hertha BSC GmbH & Co. KGaA im Jahre 2002, zwei Jahre nach der letztmaligen Champions-League-Teilnahme, versank der Berliner Hauptstadtklub im Niemandsland des deutschen Profi-Fußballs. Jahrelanger sportlicher Misserfolg, gepaart mit zwischenzeitlichen Abstiegen in die 2. Bundesliga machten Hertha BSC zum perfekten Beuteschema für Privatinvestoren. Gesagt, getan! Der Privatinvestor Lars Windhorst stieg 2019 bei Hertha BSC ein und hatte seither insgesamt rund 375 Mio. Euro (für ca. 65 % der Anteile an die Hertha BSC GmbH & Co. KGaA) in den Verein investiert[11]. Dabei erklärte er selbst das Vorhaben, den Verein wieder in einigen Jahren in führender Position in der heimischen Liga und Europa mitzuspielen zu lassen. Wie oben bereits angedeutet, wurden dabei Investments für prominente Fußball-Ikonen in Form eines Jürgen Klinsmann als neuer Trainer und teure Spieler eingekauft. In der Wintertransferperiode 2019/2020 wurde mit Lucas Tousart von Olympique Lyon für rund 24 Mio. Euro ein neuer vereinsinterner Rekordtransfer getätigt. Insgesamt gab Hertha für die Spieler Tousart, Santiago Ascacíbar (~ 11 Mio. EUR, vom VfB Stuttgart), Krzysztof Piątek (~ 23 Mio. EUR, vom AC Mailand) und Matheus Cunha (~ 17 Mio. EUR, von RB Leipzig) im Januar 2020 mit rund 75 Mio. Euro so viel wie kein anderer Verein weltweit aus. 

Folgt man der Spur des Geldes bzw. tätigt eine sog. Adverse-Media-Recherche zum Investor Lars Windhorst, so zeigt diese mehrere medienübergreifenden Berichte, wonach der Hauptaktionär Windhorst im mehreren Fällen wegen Untreue verurteilt wurde[12]

Zudem berichtet der FOCUS, dass der Geschäftsmann Windhorst in einen Finanzskandal verwickelt sein soll, bei dem Millionenbeträge mit fragwürdiger Mittelherkunft in dessen Unternehmensgruppe geflossen seien. Dabei beruft sich das Blatt auf Quellen, wonach Windhorst Geschäfte mit Managern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gemacht haben soll, welche wegen Korruption und Geldwäsche zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden seien[13].

Aufgrund des zerrütteten Verhältnisses zur Vereinsführung, der anhaltenden sportlichen Talfahrt des Klubs und permanenter Unruhe rund um den Verein stieg Windhorst Ende letzten Jahres beim Berliner Hauptstadtklub aus und verkaufte seine Anteile an eine Investmentgesellschaft namens 777 Partners. Während das Handelsblatt berichtete, dass Windhorst „ohne finanziellen Schaden“ aus dem Deal mit dem US-amerikanischen Finanzinvestor gegangen sei, so betrachten es mehrere Medien (darunter die Süddeutsche Zeitung oder der Berliner Kurier) als äußerst zweifelhaft, dass Windhorst sein Gesamtinvestment in Höhe von ca. 375 Mio. EUR zurückerhalten habe.

VII. Die Causa Al-Rumayyan/Newcastle

Der Newcastle United Football Club – auch bekannt unter „The Magpies“ – ist ein Fußballklub aus dem Nordosten Englands. Die jüngste sportliche Vergangenheit des britischen Traditionsklubs ist analog zu der zuvor geschilderten von Hertha BSC Berlin. Nachdem sich der Klub noch Anfang der 2000er für das internationale Geschäft qualifizierte, versank der Klub aus Newcastle in den letzten beiden Jahrzehnten im Niemandsland der Premier League bzw. avancierte zur Fahrstuhl-Mannschaft, welche zwischenzeitlich auch in die Football League Championship, die zweithöchste Liga Englands, abgestiegen ist. 

Umso größer war dementsprechend der Aufschrei als im Oktober 2021 – zu diesem Zeitpunkt befand sich der Klub mal wieder in den Abstiegszonen der Tabelle – der bisherige Klubbesitzer Mike Ashley, der aufgrund einer teils chaotischen Transferpolitik jahrelang einen schweren Stand bei Klub und Fans hatte, seine Anteile für circa 350 Mio. EUR an ein saudisches Konsortium verkaufte.

Dabei handelt es sich um einen öffentlichen Investmentfonds Saudi-Arabiens (PIF), welcher 80 % der Anteile hält, und damit Mehrheitseigentümer des Vereins ist.

Selbstverständlich wurde auch dieser Deal unter dem Mantel des sportlichen Aufschwungs eingefädelt. „Die Premier League ist die beste Fußball-Liga der Welt - und Newcastle United ist das beste Team in der Welt. Natürlich wollen wir Titel – in der Premier League und in Europa! Aber dafür braucht es Geduld, Investitionen und Zeit. Wir wollen gemeinsam daran arbeiten, dass der Klub dort steht, wo er hingehört.“, so die damalige Äußerung eines Vorstandsmitglieds des Klubs.

Trotz aller Euphorie gab es auch Kritiker, welche dem Deal ein gewisses „Sportwashing“ – dabei handelt es sich um Bestrebungen, das Ansehen des eigenen Landes durch die Veranstaltung von Sport-Events und deren positiven Reputation in den Medien zu verbessern – nachgesagt haben. So auch der CEO von Amnesty International England der den Deal als „einen klaren Versuch der saudischen Autoritäten, ihre Menschenrechtsverletzungen mit dem Glamour des Spitzenfußballs zu überstrahlen“ beschreibt[14].

Ähnlich wie im vorherigen gezeigten Beispiel wurden auch in diesem Fall nach der Übernahme durch den neuen Investor Spielertransfers in Höhen getätigt, zu denen der Klub selbst nicht im Stande gewesen wäre. So wurde die Marke des vereinsinternen Rekordtransfers in diesem Zeitraum mehrfach gesprengt. Lag die Rekordablöse in den letzten Jahren bei rund 20 Mio. EUR, so kam es allein seit 2021 zu fünf Neuzugängen an Spielern, welche jeweils für über 30 Mio. EUR verpflichtet wurden. Jüngst erreichte man sogar neue Dimensionen als man den Spieler Alexander Isak für rund 70 Mio. EUR vom spanischen Erstligisten Real Sociedad verpflichtet hatte, der jedoch zum Zeitpunkt des Transfers einen Marktwert von 30 Mio. EUR hatte[15].

Anders als in der Causa Windhorst/Hertha BSC ist der Deal für alle Beteiligten vom sportlichen Erfolg geprägt, zumindest bisher. So belegt Newcastle United aktuell einen Platz unter den Top 4 und befindet sich im Kampf um die Champions League Qualifikation, welche den Verein wieder auf die Bühne des höchsten europäischen Klubturniers bringen würde.

Die Kehrseite der Medaille ist neben dem bisherigen sportlichen Erfolg die Mittelherkunft der Investitionen. Folgt man auch hier der Spur des Geldes beziehungsweise tätigt eine Due-Diligence zum Investor Yasir Al Rumayyan, so zeigen die Ergebnisse auch hier zumindest verdächtige Negativa.    

Yasir Al Rumayyan ist ein saudischer Manager und Gouverneur des Public Investment Fund (PIF), des Staatsfonds des Königreichs Saudi-Arabien. Neben seiner Rolle als Vorsitzender des englischen Fußballvereins Newcastle United, füllt er diese Position auch beim staatlichen Erdölunternehmen Saudi Aramco aus und gilt zudem als enger Vertrauter des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. So berichtet die britische Tageszeitung The Guardian dass Al Rumayyan Teil einer Korruptionsaffäre rund um den Kronprinzen Mohammed bin Salman gewesen sei. Hintergrund sei demnach die Übertragung von Vermögenswerten im Namen des saudischen Kronprinzen[16].

Ob ein Lars Windhorst bei Hertha BSC Berlin, ein Yasir Al Rumayyan bei Newcastle United FC oder ein Nasser Al-Khelaifi bei Paris Saint Germain, sie bilden nur einen Bruchteil von zahlreichen Profifußball-Klubs in Europa bei denen Privatinvestoren mit undurchsichtigen Strukturen und mindestens zweifelshaften Hintergründen hohe Volumina an Kapital – meist dreistellige Millionenbeträge – in das Fußballgeschäft eingeschleust haben und somit zusätzliche Mittel haben, um ihr Vermögen zu waschen. Die Liste an fragwürdigen Deals beim weltweiten Volkssport ist lang und zeigt auf, dass die Einstufung der Fußball-Industrie als Hochrisiko-Segment mehr als berechtigt ist. 

VIII. Financial Fair Play reicht nicht – es braucht einen zusätzlichen Schiedsrichter

Aufgrund massiv ansteigender Spielergehälter und Ablösesummen können manche Fußballklubs die Ausgaben nicht mehr durch ihre laufenden Einnahmen decken. Stattdessen erfolgen Finanzierungen wie in den obigen Beispielen über Kredite oder durch den Einsatz von Privatinvestoren. Um dem entgegenzuwirken, wurde durch den europäischen Fußballverband UEFA (Union of European Football Associations) vor rund dreizehn Jahren das Reglement Financial Fairplay (FFP) verabschiedet, welches das bisherige Klublizenzierungsverfahren ersetzt hatte. 

Geregelt sind im FFP u. a. sportliche, infrastrukturelle, rechtliche und finanzielle Kriterien, die europäische Fußballklubs erfüllen müssen. So darf ein Klub pro Bewertungszeitraum (drei Jahre) bis zu 30 Mio. EUR mehr ausgeben, als er in diesem Zeitraum eingenommen hat. Dieses Defizit könne in einem bestimmten Rahmen überschritten werden, falls es vollständig gedeckt wird durch die direkte Bezahlung der jeweiligen Eigentümer oder einer in Verbindung stehenden Partei. Dies verhindere den Aufbau von untragbaren Schulden.

Hält ein Klub sich nicht an die Spielregeln, so drohen ihm Sanktionen bestehend aus einem Maßnahmenkatalog mit Geldstrafen, Punktabzügen, Verbot der Meldung von neuen Spielern für UEFA-Wettbewerbe (u. a. Champions League), Ausschluss aus künftigen Wettbewerben bis hin zum Widerruf von Titeln oder Auszeichnungen[17].

Seit Bestehen des Reglements traten jedoch vermehrt Fälle auf, bei denen gegen das FFP verstoßen wurde – es reicht nur, einen Blick auf die Vereine Manchester City oder Paris Saint Germain zu werfen, welche zahlreiche hochkarätige Spieler verpflichteten und denen somit ein Verstoß gegen die Statuten der UEFA nachgesagt wurden. Allein der in Abbildung 2 gezeigte Verschuldungsgrad von über 2 Mrd. Euro der Premier League in England zeigt, dass die Finanzaktivitäten der dortigen Klubs nicht wirklich von Nachhaltigkeit geprägt sind.

Allein diese Tatsache zeigt, dass der FFP gescheitert ist, weshalb das Reglement im April 2022 von der UEFA reformiert wurde und mittlerweile den Namen Financial Sustainability trägt[18]

Dass dabei der Begriff „Fairplay“ bei der Namensgebung entfernt wurde, hat mehr als einen bloßen Symbolcharakter, welcher den Lobbyismus der heutigen Machenschaften rund um den Profi-Fußball untermauert.

Genau aus diesem Grund braucht es mehr Aufsicht und Governance im Profifußball. Die UEFA und die FIFA als alleinige Kontrollorgane reichen nicht aus, zumal die jüngsten Korruptionsskandale rund um deren ehemaligen Präsidenten Michael Platini und Sepp Blatter der Reputation des Fußballs massiv geschadet haben. Zu verflochten sind zudem die Beziehungen zwischen den verschiedenen internationalen und nationalen Verbänden, sowie zur Europäischen Klubvereinigung (ECA) und den jeweiligen Privatinvestoren, welche meist die Rolle des CEO im jeweiligen Klub bekleiden.

Es bedarf eines zusätzlichen Aufsichtsgremiums, welches, unabhängig von den jeweiligen Verbänden, die Ordnungsmäßigkeit und Angemessenheit der Geschäfte im Profifußball kontrolliert. Dieses sollte anders als die internationalen und nationalen Verbände nicht mit ehemaligen Funktionären des Fußballs besetzt werden, damit potenzielle Interessenskonflikte gar nicht erst entstehen können und die Unabhängigkeit zu weiteren Vertretern der Fußballwelt gegeben ist. 

Darüber hinaus sollte der seit Jahren in Fußballeuropa diskutierte Salary-Cap (zu Deutsch Gehaltsobergrenze) endlich eingeführt werden, welcher bereits seit Jahrzehnten in mehreren US-Profi-Sportarten im Einsatz ist. Grundgedanke des Salary-Cap ist es, die Gesamtausgaben für Spieler zu begrenzen und zudem finanzstärkere Mannschaften davon abzuhalten, alle Stars der Liga zu verpflichten. So soll die Liga insgesamt spannender und abwechslungsreicher bleiben. Neben dem sportlichen Benefit würden zudem die mittlerweile in astronomische Höhen geschossenen Gehälter im Profifußball ein Ende haben, so dass nicht noch mehr Geld von den Investoren in das Geschäft fließt. 

PRAXISTIPPS

  • Aufnahme von Profifußball-Klubs als Verpflichtete des Geldwäschegesetzes. 
  • Sorgfältigere Governance bei allen Beteiligten der Industrie, d. h. den jeweiligen Klubs inkl. der zuständigen Organisationen UEFA, FIFA, DFL etc.
  • Unabhängige Aufsichtsbehörde, welche nicht bei FIFA, UEFA angesiedelt ist, eventuelle Überwachung durch Anti-Money Laundering Authority (AMLA).
  • Einführung eines Salary-Cap und potenziellen Restriktionen hinsichtlich Transferaktivitäten/-volumina.
  • Stärkere Durchsetzung von Sanktionen bei Verstoß gegen Financial Sustainability Reglement.

[1] Quelle: Transfermarkt.de (Transfersalden in 2002/03).

[2] Quelle: Transfermarkt.de (Transfersalden in 2022/23).

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