Freitag, 27. Oktober 2023

Herausforderungen der Refinanzierung im neuen Zinsumfeld

Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Fixed Income, Ampega Asset Management GmbH


Mit dem Einsetzen der Zinswende Anfang 2022 haben sich die Finanzierungsbedingungen nach einem Jahrzehnt des billigen Zentralbankgeldes in kurzer Zeit für alle Finanzmarktakteure schlagartig verändert. Sowohl private Haushalte, Unternehmen und öffentliche Haushalte müssen nun für die Aufnahme von Fremdkapital je nach Laufzeitband mindestens 3,5 %-Punkte teilweise weit mehr als fünf Prozent-Punkte mehr aufwenden als in den Jahren zuvor. Statt einer „Japanifizierung“ der Geldpolitik, droht in einem angespannten geopolitischen Umfeld vielmehr ein Szenario: „Higher for Longer“.


Das Dilemma der Zentralbanken

Das hohe Inflationsniveau gepaart mit einem fragilen makroökonomischen Umfeld könnte immer noch in eine Stagflation münden. Hinzu kommen Demograhieprobleme (Fachkräftemangel) und Klimakrise. Die Maßnahmen der EZB zum Abbau ihrer Bilanz tragen zusätzlich zur Verschärfung des Kreditumfeldes bei. Ohnehin sind geldpolitische Maßnahmen oft erst mit einer Verzögerung von zwölf bis 18 Monaten mit Blick auf den Bankensektor, die Kreditvergabe und das wirtschaftliche Geschehen sichtbar. Gleichzeitig verschärfen zahlreiche Kreditinstitute sukzessive ihre Kreditvergabestandards. Interne Richtlinien und Genehmigungsverfahren für wohnwirtschaftliche Darlehen und Verbraucherkredite werden ebenso angepasst wie für Gewerbeimmobilien- und Unternehmenskredite.


Defensive Branchen leiden weniger als zyklische Sektoren

Dieses veränderte Zins- und Makroumfeld stellt sowohl die Unternehmen als auch die sie finanzierenden Banken vor neue Herausforderungen. So muss mit sukzessiv steigenden Ausfallraten sowie entsprechender Ratingmigration gerechnet werden. Insbesondere Unternehmen, die schon in der Ausgangslage eine schwächere Bonität aufweisen, dürften von einem Abschwung stärker betroffen sein, als solche die über eine solide Kapital- und Liquiditätsbasis verfügen. Ebenso sind zyklische Sektoren, die traditionell als erstes Spüren, wenn die Nachfrage rückläufig ist, für konjunkturelle Abwärtsrisiken anfällig. Da die privaten Haushalte unter dem Inflationsdruck ebenso leiden, sparen die Verbraucher eher an Dingen wie Reisen, größeren Investitionen (von Möbeln, über Autos bis zum Immobilienerwerb) als an Gesundheit, Lebensmitteln oder Telekommunikationsdienstleistungen.


Cash is King – Maßnahmen zur Liquiditätssicherung

Viele Unternehmen greifen zunächst auf vorhandene Barmittel zurück, um Finanzierungslücken zu schließen. Die amtliche Statistik zeigt bereits, dass die Bargeldbestände der Unternehmen zu sinken begonnen haben. Zudem versuchen Unternehmen ihr Working Capital abzubauen, um interne Liquidität freizusetzen. Denn bei steigenden Fremdkapitalkosten (unter der Annahme konstanter Verschuldung) im aktuellen Hochzinsumfeld sowie drohender Ertragsrückgänge, dürfte die Cashflow Generierungskraft ohnehin schwächer ausfallen. Darüber hinaus ist auch aus Kreditgebersicht in Gesprächen mit Unternehmen kritisch zu hinterfragen, ob die Ausschüttungspolitik sowie entsprechende nicht zwingend erforderliche Investitionen (einschließlich Unternehmensübernahmen) temporär zurückgestellt werden können. 

Aus Gläubigerperspektive ist außerdem der Blick auf die kurzfristige Liquidität der Unternehmen wichtiger denn je. Somit sind Kennzahlen, wie dem Zinsdeckungsgrad, bei der Bonitätsbeurteilung im aktuellen Umfeld durchaus eine höhere Aufmerksamkeit zuzukommen als dem Verschuldungsgrad. Im Rahmen einer zukunftsgerichteten Kreditvergabepraxis sollte die zugrundeliegende Kreditvertragsdokumentation, insbesondere wenn Refinanzierungen konkret anstehen, angepasst werden (z. B. mit Blick auf Financial Covenants). In diesem Zusammenhang ist eine kritische Analyse des Fälligkeitenprofils von Unternehmen unabdingbar.


PRAXISTIPPS

  • Begleiten und überwachen Sie ihre Kreditnehmer in Sachen Liquiditätsmanagement sehr eng, insbesondere, wenn Sie nicht die kontoführende Bank sind. BWAs sollten kritisch und zeitnah geprüft werden.
  • Prüfen Sie die Kreditdokumentation und passen diese gegebenenfalls an z. B. mit Blick auf Financial Covenants etc.
  • Mit Blick auf die Kennzahlenanalyse dürften liquiditätsbezogene Kennzahlen wie der Zinsdeckungsgrad gegenüber z. B. Verschuldungskennzahlen in der aktuellen Phase an Bedeutung gewinnen.

Beitragsnummer: 22342

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