Donnerstag, 16. November 2023

Aufgedrängtes Darlehen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In dem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26.09.2023, XI ZR 98/22, zu entscheidenden Fall hatte die klagende Bank als Darlehensgeberin den Beklagten als Mitdarlehensnehmer auf Rückzahlung des auf dem gemeinsamen Girokonto der Ehefrau sowie des Beklagten ausbezahlten Darlehens in Anspruch genommen. Allerdings war der Beklagte an dem vermeintlichen Vertragsabschluss unbeteiligt, da seine Ehefrau, welche bis zur Trennung vom Beklagten sich um alle finanziellen Angelegenheiten der Familie und insbesondere um die Verwaltung des gemeinsamen Kontos gekümmert hatte, dessen Unterschrift auf dem auch von ihr als Mitdarlehnsnehmerin unterzeichneten Kreditvertrag gefälscht hatte. Im Rahmen der dem Ehemann als Mitdarlehensnehmer im Wege des Post-Ident-Videoverfahrens übersandten Kreditvertragsunterlagen trat der Stiefvater der Ehefrau und Mitdarlehnsnehmerin unter Vorlage des Personalausweises des Beklagten auf.

Anders als das Berufungsgericht stellt der Bundesgerichtshof zunächst im Rahmen einer umfassenden Auslegung fest, dass der gesetzliche Anspruch der Bank gegenüber dem Mitdarlehensnehmer aus § 812 BGB nicht durch die Norm des § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB ausgeschlossen ist. Denn nach dieser Vorschrift sind gesetzliche Ansprüche dann nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies zwar nicht selbst erkannt hat, ihm aber in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis einer anderen Person – hier der Ehefrau – von dieser irrigen Vorstellung des Unternehmers zuzurechnen ist, was beim Beklagten der Fall war. 

Zur Begründung führte der BGH aus, dass nach dem Kerninhalt der Norm des § 166 Abs. 1 BGB – und dies unabhängig vom Vorliegen eines Vertragsverhältnisses – derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (Rn. 22). Nachdem der Beklagte und Mitdarlehensnehmer seiner damaligen Ehefrau und Kontomitinhaberin die finanziellen Angelegenheiten der Familie und insbesondere die Verwaltung des gemeinsamen Kontos vollständig überlassen hatte, hatte nach Auffassung des BGH die Ehefrau des Beklagten bei der Vornahme und Abwicklung von Geldgeschäften eine tatsächlich ähnliche Stellung wie ein Vertreter mit der Konsequenz, dass es sachgerecht ist, das Wissen, dass die Ehefrau in Ausübung des ihr übertragenen Wirkungskreises erworben hat, dem Beklagten in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen mit der weiteren Folge der Unabwendbarkeit der Norm des § 241a Abs. 2 BGB. Dabei ist es nach Auffassung des BGH auch unerheblich, ob die damalige Ehefrau mit der Aufnahme des Darlehens unter dem Namen des Ehemannes und Mitdarlehensnehmers ihre Befugnisse im Innenverhältnis vorsätzlich überschritten hat (Rn. 23).

Ergänzend führt der BGH schließlich noch aus, dass sich der Beklagte die Kenntnis seiner Ehefrau auch im Rahmen von § 819 Abs. 1 BGB entgegenhalten muss, weswegen dem Anspruch aus § 812 BGB auch nicht § 819 Abs. 1 BGB entgegenstünde.

 

PRAXISTIPP

Der vorliegende Fall macht deutlich, dass ein Mitdarlehensnehmer selbst dann für ein auf das gemeinsame Konto des Mitdarlehensnehmers und seiner Ehefrau ausbezahltes Darlehen haften kann, wenn er selbst den Darlehensvertrag nicht unterschrieben hat, sondern dessen Unterschrift von seiner Ehefrau gefälscht worden ist. Dies allerdings nur deswegen, weil es der Mitdarlehensnehmer bis zur Trennung von seiner Ehefrau hingenommen hat, dass diese sich um die finanziellen Angelegenheiten der Familie und insbesondere um die Verwaltung des gemeinsamen Kontos allein kümmert, was möglicherweise auch zu einer Haftung entsprechend der Grundsätze zur Anscheins- und Duldungsvollmacht hätte führen können.


Beitragsnummer: 22377

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