Mittwoch, 31. Januar 2024

Dead companies walking – Identifikation von „Zombieunternehmen“

Auch eher unauffällige Unternehmen können ein großes Risiko für das Kreditinstitut darstellen. Vor allem dann, wenn diese Unternehmen vom Substanzverzehr „leben“

Hans-Jürgen Wieczorrek, Firmenkundenberater Sanierung, Kreissparkasse Köln

Vor einiger Zeit kam der Begriff „Zombie-Unternehmen“ auf. Gemeint sind damit Unternehmen, welche infolge hoher Verschuldung und/oder schwacher bis nicht vorhandener Rentabilität nicht in der Lage sind, dauerhaft den bestehenden Verpflichtungen nachzukommen.

Häufig gelingt es diesen Zombies über einen sehr langen Zeitraum diesen schlechten Zustand zu verbergen, da nicht die üblichen Negativmerkmale (wie z. B. ständige Überziehungen, Pfändungsmaßnahmen Dritter etc.) geballt auftreten. Sie wanken, fallen aber dank geschicktem Management der Kundenbuchhaltung nicht um.

Zombie-Unternehmen sind für ein Kreditinstitut gefährliche Kunden, da aufgrund einer langen Geschäftsverbindung leicht Handlungen toleriert werden, die bei einer möglichen späteren Insolvenz zu teuren Anfechtungsansprüchen des Insolvenzverwalters führen können. Vor diesem Hintergrund sollte das Kreditinstitut potenzielle Zombie-Unternehmen rasch identifizieren und nach Möglichkeit konsequent aussteuern.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurde Seitens des Staates großzügig Hilfestellung geleistet, z. B. wurden über die KfW Unternehmerkredite herausgelegt, die inzwischen zurückgezahlt werden müssen. Dies bereitet manchem Unternehmen große Schwierigkeiten, da häufig das damals erworbene Liquiditätspolster aufgebraucht ist und nun wieder die raue Wirklichkeit zählt. Die damalige Grundvoraussetzung (keine Zahlungsunfähigkeit auf Basis der 2019er Zahlen) war im Rahmen des „Sanierungs- und insolvenzrechtliche[n] Krisenfolgenabmilderungsgesetz[es] (SanInsKG)“ relativ einfach zu erfüllen, so dass viele Unternehmen noch einmal Gelder erhalten haben, obwohl eine kritische Prüfung der Gesamtverhältnisse unter Umständen zu einer anderen Entscheidung hätten führen müssen.

Hinzu kommt, dass nach dem 30.09.2023 auch die Einschränkungen hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters entfallen sind, so dass spätestens seit diesem Zeitpunkt wieder die „normale“ Sichtweise gilt, d. h. bei Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit (= Zahlungseinstellung im Sinne der InsO) dürfen keine Kreditausweitungen und/oder Sicherheitenverstärkungen ohne entsprechende Gegenleistungen vorgenommen werden. Doch was bedeutet dies für die Kreditinstitute in der Praxis?

Es beginnt eigentlich mit einer Routine, die jeder verantwortungsbewusste Kreditspezialist kennt: Es ist die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit zu prüfen, wobei die Betonung auf Nachhaltigkeit liegt. Es ist außerdem auch das Geschäftsmodell des betroffenen Unternehmens zu hinterfragen.

Ist die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit nicht mehr gegeben, kann es günstigstenfalls eine Konservierung des Status quo geben, denn Krediterhöhungen (und unter Umständen auch nur eine Tilgungsaussetzung) scheiden zunächst einmal aus, da ja hiermit eine Änderung des Kapitalnutzungsrechts einhergeht.

Gefährlich kann es für das Kreditinstitut werden, wenn in der näheren Zukunft befristete Kreditverträge auslaufen. In Kenntnis der negativen Entwicklung ist eine Anschlussfinanzierung ohne ein Sanierungsgutachten meist nicht möglich, wenn anfechtungsrechtliche Konsequenzen für den Kreditgeber vermieden werden sollen. Aber auch hinsichtlich des Geschäftsmodells des Kreditnehmers kann ein Sanierungsgutachten sehr hilfreich sein, da eine realistische Einschätzung durch einen fachkundigen Dritten die ultimative Frage beantworten kann, ob das betroffene Unternehmen überhaupt in Zukunft fortbestehen kann. Je nach der konkreten Ausgangslage ist daher durch den Kreditgeber zu entscheiden, ob ein Sanierungsgutachten gefordert wird/werden muss.

Unabhängig davon sollte gerade nach der überaus herausfordernden wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre eine genaue Beobachtung der einzelnen Branchen erfolgen. Die Baubranche ist momentan sehr im Fokus und sollte weiter sehr intensiv beobachtet werden. Da immer wieder von hohen Stornoraten im Wohngebäudebau berichtet wird, ist meist nicht der zu beobachtende Preisrückgang bei den Kaufimmobilien für einen Bauträger schlagend, sondern eher die geringere Nachfrage. Bekanntlich wird der Gewinn immer erst mit den letzten Einheiten realisiert. Es kann also durchaus angebracht sein, monatlich vorläufige Zahlen sowie Angaben zum Stand der aktuellen Verkaufsbemühungen zu verlangen. Es hat sich zudem bewährt, auch in kurzen Abständen die Baustelle(n) aufzusuchen, um sich vom Bautenstand zu überzeugen.

Aber auch Kunden anderer Branchen verdienen Aufmerksamkeit, insbesondere energieintensive Betriebe oder aber Unternehmen aus dem Automotive-Bereich. Sofern die Kunden keine Weiterberechnung gestiegener Energie- oder Rohstoffpreise durchsetzen konnten, sollte die Entwicklung genauestens beobachtet werden. Dann könnte eine Schieflage aufgrund rasch schwindender Überschüsse sehr schnell kommen.

Die Mitbewerber aus China holen in Riesenschritten gerade im Bereich der E-Mobilität auf und sollten spätestens in zwei oder drei Jahren in Deutschland omnipräsent sein. Die Auswirkungen auf die hiesigen Zulieferer werden spätestens dann sehr tiefgreifend sein, so dass es auf jeden Fall angebracht erscheint, wenn nicht nur die Produktpalette sehr kritisch betrachtet wird, sondern auch mögliche Produktalternativen – ggf. auch für andere Branchen – betrachtet werden. Je nach Ausgangslage des Unternehmens sollte prophylaktisch auch ein Verwertungsszenario für die Sicherheiten entwickelt werden.

PRAXISTIPPS

  • Lassen Sie sich nicht allein von den (täglichen) Überziehungslisten leiten. Prüfen Sie vielmehr auch unterjährige Unterlagen kritisch auf (sich abzeichnende) negative Entwicklungen.
  • Die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit ist einer der wichtigsten Gradmesser für die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Legen Sie auf diese Prüfung ein Hauptaugenmerk.
  • Begleiten Sie diese Einzelmaßnahmen auch mit entsprechenden „Branchen-Scans“. So erhalten Sie systematisch mögliche weitere problematische Fälle, die dann im Rahmen von Einzelchecks analysiert werden können.

 


Beitragsnummer: 22480

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