Montag, 6. Mai 2024

Korrelation positive Fortführungsprognose & Überschuldungsbilanz

Der Insolvenzgrund „Überschuldung“ wurde während der Pandemie gelockert. Die Sonderregelungen hierzu sind derweil ausgelaufen. Es gilt wieder die Fassung vom 01.01.2021

Patric Naumann, Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Partner der Kanzlei Pabst I Lorenz + Partner PartG mbB, Mannheim

 

Einleitung

Die insolvenzrechtliche Überschuldung als Insolvenzgrund ist ein wiederkehrendes Thema von Diskussionen. Selbst der Gesetzgeber hat immer wieder grundlegende Veränderungen vorgenommen, und es wird sogar die gänzliche Abschaffung als Insolvenzgrund gefordert. Während der Pandemie waren die Insolvenzantragspflichten in unterschiedlichen Varianten ausgesetzt, und bis Ende des Jahres 2023 war der Betrachtungszeitraum für die Fortführungsprognose verkürzt. Seit dem 01.01.2024 gilt nun wieder die gesetzliche Regelung in der vorläufig letzten Fassung vom 01.01.2021.

In der Beratungspraxis zeigt sich aktuell, dass gerade die Überschuldungsthematik die Unternehmen erfasst, die in der Niedrigzinsphase oder in der Pandemie stärker auf Kredite zurückgegriffen haben, nun aber mit zurückgehenden Märkten und einem Zinsanstieg zu kämpfen haben.  

Wie aber wird die insolvenzrechtliche Überschuldung geprüft? Nachfolgend soll grob skizziert werden, welche Punkte dafür relevant sind.

 

Positive Fortführungsprognose

Nach der Insolvenzordnung liegt keine Überschuldung vor, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten überwiegend wahrscheinlich ist. Damit entfällt eine Überschuldung, sofern für das Unternehmen eine positive Fortführungsprognose angenommen werden kann. Aus diesem Grund wird etwa durch den Insolvenzverwalter in einem Gutachten über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose zuerst betrachtet und ggf. erst anschließend die rechnerische Überschuldung geprüft.

Für die positive Fortführungsprognose ist nicht die Ertragskraft des Unternehmens, sondern dessen Zahlungsfähigkeit maßgeblich, weshalb zunächst anhand einer Liquiditätsplanung mit einem Zeithorizont von mindestens zwölf Monaten zu prüfen ist, ob der Geschäftsbetrieb „durchfinanziert“ ist, also in diesem Zeitraum keine insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit eintritt.

Der Gesetzgeber hat bei der letzten Gesetzesänderung des § 19 InsO den Prognosezeitraum für die Fortführung auf 12 Monate festgelegt. In der derzeitigen Rezession ist es jedoch für viele Unternehmen sehr schwierig, eine verlässliche Vorhersage hinsichtlich der Umsätze für diesen Zeitraum zu treffen. Daher ist es grundsätzlich legitim, sich z. B. an Vorjahreswerten zu orientieren und diese entsprechend der Situation anzupassen. Zusätzlich können in diesem Zeitraum notwendige Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sich diese auf die Liquidität auswirken. Selbstverständlich müssen diese Sanierungsmaßnahmen auch realisierbar sein und letztendlich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit (überwiegend wahrscheinlich) bewertet werden. In solchen Fällen sollten auch alternative Szenarien aufgestellt werden (best case, middle case, worst case).

In jedem Fall sollte die Begründung, warum der vorgenommene Ansatz erfolgt, dokumentiert werden. Tritt im Prognosezeitraum von12 Monaten keine Zahlungsunfähigkeit ein, so kann eine positive Fortführungsprognose angenommen werden. Tritt jedoch in dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit ein, so fehlt es an einer positiven Fortführungsprognose. Die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung können damit zusammenfallen, müssen aber nicht. Aufgrund des Prognosezeitraums von 12 Monaten sind Fälle denkbar, in denen die Zahlungsunfähigkeit nur droht, also erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt und so zwar noch keine Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit, aber Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung besteht. Diese „schleichende“ Gefahr wird daher insbesondere dann nicht erkannt, wenn keine vorausschauende Liquiditätsplanung aufgestellt wird.

 

Überschuldungsbilanz

In der Überschuldungsbilanz werden sämtliche Positionen der Aktivseite den Positionen der Passivseite gegenübergestellt. Anders als bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeitwerden hier auch die nicht fälligen Verbindlichkeit in Ansatz gebracht. Auf der Aktivseite werden Liquidationswerte angesetzt. Wie nun letztendlich bewertet wird, ist wieder ein Kapitel für sich. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass hier Fantasiewerte generiert werden, die nicht belastbar sind. Insbesondere bei Langläufern in Lagerbeständen oder Forderungen mit Fälligkeiten von über einem Jahr, müssen entsprechende großzügige Abschläge vorgenommen werden.

Überwiegt nach dem Status das Vermögen die Verbindlichkeiten, so liegt trotz negativer Fortführungsprognose keine Überschuldung vor. Wenn die Verbindlichkeiten hingegen das Vermögen übersteigen, so besteht eine Antragspflicht.

 

Wechselwirkung

Trotz der getrennten Prüfung besteht zwischen der positiven Fortführungsprognose und der Überschuldungsbilanz eine gewisse Wechselwirkung. Je größer die rechnerische Überschuldung ist, desto unwahrscheinlicher ist das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose. Daher wird empfohlen, die rechnerische Überschuldung immer mit zu berücksichtigen.

Die Antragspflicht bei insolvenzrechtlicher Überschuldung wurde durch den Gesetzgeber nun auf sechs Wochen ab dem Zeitpunkt des Eintritts festgelegt. Da gerade die Überschuldungsprüfung eine Herausforderung sein kann, besteht daher zwar etwas mehr Zeit als bei der Zahlungsunfähigkeit (drei Wochen), aber ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Überschuldung beginnt insbesondere die zivilrechtliche Haftung für den Antragspflichtigen.

 

PRAXISTIPPS

  • In der Liquiditätskrise eines Unternehmens muss eine Liquiditätsplanung auf Wochenbasis für mindestens 12 Monate erstellt und sodann fortlaufend aktualisiert werden.
  • Eine positive Fortführungsprognose liegt vor, wenn in einem Zeitraum von 12 Monaten keine Zahlungsunfähigkeit eintritt.
  • Besteht eine positive Fortführungsprognose, so liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Dennoch ist die rechnerische Überschuldung ein Grad für die Fortbestehenswahrscheinlichkeit des Unternehmens.

Beitragsnummer: 22602

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Problematische Firmenkundenkredite, 6. Auflage

119,00 € inkl. 7 %

Produkticon
Bilanzanalyse im Krisenmodus: kritische Positionen & Risikofelder

399,00 € exkl. 19 %

17.09.2024

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Wahl von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat – Statusverfahren

Eine AG muss das Statusverfahren nach §§ 97 ff. AktG zur Festlegung der Mitbestimmung & zur Besetzung des Aufsichtsrats durchführen.

10.04.2024

Beitragsicon
Leistungsstörungen im Bauträger-Vertragsverhältnis – Fokus Bauträger

Leistungsstörungen bei Bauträger-Vertragsverhältnissen lösen Rechts- und Finanzierungsfragen aus. Hier werden die Folgen in der Bauträger-Sphäre behandelt.

30.04.2024

Beitragsicon
SanInsKG: Prognosezeitraum JETZT prüfen, nicht bis Jahresende warten!

Am 31.12.2023 läuft der verkürzte Prognosezeitraum bei der Erstellung einer Fortführungsprognose aus. Relevant dürfte dies aber schon früher werden!

04.10.2023

Beitragsicon
Besonderheiten bei Kreditentscheidungen: Problem- vs. Normalkredite

Kreditentscheidungen gehören zum Tagesgeschäft eines Kreditinstitutes. Im Problemkreditbereich ist hierfür eine differenzierte Sichtweise notwendig.

27.07.2023

Beitragsicon
Gesprächsführung als ein Schlüssel für den Erfolg in Krisensituationen

Je komplexer die Situation, desto wichtiger die Kommunikation. Gerade in der Sanierung ist diese mit ausschlaggebend für den Sanierungserfolg.

19.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.