Dienstag, 27. Februar 2018

Sittenwidrigkeit und Aufklärungspflichten bei Fremdwährungsdarlehen


Prof. Dr. Hervé Edelmann, Thümmel, Schütze & Partner

In seiner Entscheidung vom 19.12.2017, Az. XI ZR 152/17 (vgl. hierzu Meier, CRP 2018, S. 5 f.), erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass es bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages objektiv auf das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ankommt, wobei maßgebend die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts sind. Sodann führt der Bundesgerichtshof aus, dass allein die Tatsache, dass die dem Darlehensvertrag zugrunde gelegte Zinsberechnungsformel vielfach auch bei Swapgeschäften verwendet wird, nicht dazu führt, den Charakter des betroffenen Vertrages als Darlehensvertrag in Frage zu stellen oder gar in ein – unentgeltliches – Darlehen einerseits und in ein Swap- oder Optionsgeschäft andererseits aufzuteilen (so bereits OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.07.2017, Az. I-7 U 99/15; bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 12.09.2017, Az. XI ZR 8/17). In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof weiter aus, dass die in der streitgegenständlichen Zinsvereinbarung enthaltenen spekulativen Elemente für sich alleine eine Sittenwidrigkeit nicht zu begründen vermögen. Demgemäß seien auch Finanztermingeschäfte als typische Verträge mit Spiel- oder Wettcharakter allein wegen ihres spekulativen Charakters nicht sittenwidrig, sondern nur dann, wenn weitere Umstände hinzukommen, welche die Annahme der Sittenwidrigkeit erlauben. Auch Swapgeschäfte seien trotz ihres spekulativen Charakters erst dann als sittenwidrig i. S. v. § 138 BGB anzusehen, wenn das Geschäft darauf angelegt ist, den Vertragspartner der Bank von vornherein chancenlos zu stellen. Da dies beim streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht der Fall war, wurde die Sittenwidrigkeit des Vertrages abgelehnt, wobei in diesem Zusammenhang noch klargestellt wurde, dass der Darlehensvertrag nicht mit dem Argument als unwirksam angesehen werden könne, sein Abschluss sei nicht von dem der Gemeinde gesetzlich zugewiesenen Wirkungskreis umfasst gewesen.

Seminartipp

BauFi-Tage: Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 13.11.2018, Frankfurt/M.



Hieran anschließend stellt der Bundesgerichtshof fest, dass es bei dem den Beratungsgegenstand bildenden Darlehensvertrag nicht um die Investition von Finanzmitteln durch den Darlehensnehmer ging, sondern um die Beratung zur Beschaffung von Finanzmitteln, weswegen nicht vom Abschluss eines Kapitalanlageberatungsvertrages, sondern allein vom Abschluss eines Finanzierungsberatungsvertrages auszugehen sei, auf welchen die Grundsätze zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatenden Bank keine Anwendung finden (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2016, a. a .O.). Bei einem solchen Finanzierungsberatungsvertrag treffe das beratende Kreditinstitut ungeachtet dessen allerdings die Pflicht, den Darlehensnehmer über die spezifischen Nachteile und Risiken sowie die vertragsspezifischen Besonderheiten der empfohlenen Finanzierungsform aufzuklären. Dies zugrunde legend, hält der Bundesgerichtshof sodann fest, dass bei einem strukturierten, wechselkursbasierten Darlehensvertrag das Kreditinstitut den Darlehensnehmer hinreichend darüber aufzuklären hat, welche Risiken mit der Anbindung des Vertragszinses an die Wechselkursentwicklung des Schweizer Franken zum Euro verbunden sind und wie sich Wechselkursschwankungen auf den Umfang seiner Zahlungsverpflichtungen auswirken können. Eine solche Aufklärung sei notwendig, damit es dem Darlehensnehmer ermöglicht wird, die Gesamtkosten des Kredits einzuschätzen und auf dieser Grundlage die Kreditentscheidung zu treffen (ähnlich EuGH, WM 2017, 1974, 1978, Rn. 45 ff. im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten; vgl. hierzu Edelmann, BTS 2018 S. 8 und Kumpan, WuB 2018 S. 53). Darüber hinaus müsse das beratende Kreditinstitut bei einem solchen strukturierten Darlehen seinem Darlehensnehmer auch die Konsequenzen des Fehlens einer Zinsobergrenze anhand des Szenarios einer nicht nur unerheblichen Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro hinreichend klar erläutern und dabei auch ggf. weitere mit der Zinsentwicklung verbundene Effekte verdeutlichen und zwar für den gesamten vereinbarten 25-jährigen Zeitraum (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2016, a. a. O.).

Buchtipp

Münscher/Grziwotz/Krephold/Freckmann (Hrsg.), Praktikerhandbuch Baufinanzierung, 4. Aufl. 2017.



Nachdem das beratende Kreditinstitut seinen Darlehensnehmer weder auf das Fehlen einer Zinsobergrenze ausdrücklich hingewiesen, noch dem Darlehensnehmer im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens die zinsrelevanten Folgen einer nicht nur unerheblichen Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro ausreichend deutlich beschrieben, sondern dem Darlehensnehmer gegenüber vielmehr das Wechselkursrisiko verharmlost hatte, wurde das Vorliegen einer Pflichtverletzung vom Bundesgerichtshof bejaht (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2016, a. a. O.). Dabei hob der Senat hervor, dass auch im Rahmen einer Finanzierungsberatung die berufliche Qualifikation des Kunden und Verhandlungspartners der Bank alleine nicht ausreicht, um Kenntnisse und Erfahrungen mit finanzwirtschaftlichen Fragen zu unterstellen; dies jedenfalls so lange nicht, wie keine konkreten Anhaltspunkte bestehen und vorgetragen sind, dass der Verhandlungspartner seine diesbezüglichen Fachkenntnisse im Zusammenhang mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit tatsächlich erworben hat.

Was wiederum den Umfang des Schadensersatzes anbelangt, so erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass im Rahmen eines Finanzierungsberatungsvertrages eine Aufklärungspflichtverletzung eine Rückabwicklung des Darlehensvertrages grundsätzlich nicht zu rechtfertigen vermag, eine Aufklärungspflichtverletzung aus einem Finanzierungsberatungsvertrag vielmehr lediglich zu einem Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten führt (a. A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2016, a. a. O., wo es allerdings darum ging, ob die Darlehensnehmer verpflichtet sind, das Darlehen trotz gleich gelagerter Pflichtverletzungen in Anspruch zu nehmen). Dies deshalb, weil eine etwaige schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung der Bank nach dem allgemeinen Grundsatz des „Schutzzwecks der verletzten Pflicht“ nur zum Ersatz des Schadens führen kann, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte. Die im konkreten Fall verletzte Pflicht sollte nach ihrem Schutzzweck den Darlehensnehmer jedoch lediglich vor den durch die empfohlene ungünstige Finanzierung entstandenen Mehrkosten bewahren, nicht aber vor der Finanzierung als solcher.

PRAXISTIPP

Auch wenn der Bundesgerichtshof in vorstehender Entscheidung die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages völlig zu Recht trotz der darin enthaltenen spekulativen Zinsstruktur sowie deren Wettcharakter verneint hat, kommt vorstehender Entscheidung insofern besondere Bedeutung zu, als der Bundesgerichtshof bei der Empfehlung des Abschlusses von strukturierten, wechselkursbasierten Darlehensverträgen durch ein Kreditinstitut trotz „Nur-Bejahung“ eines Finanzierungsberatungsvertrages ähnlich hohe Anforderungen an die beratende Bank stellt, wie bei der Empfehlung der Zeichnung von strukturierten Anlageprodukten wie Swaps. Damit steht der Bundesgerichtshof auch nicht allein. Entsprechend hatte nämlich bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf in vorstehend zitierter Entscheidung geurteilt. Auch der EuGH hat in seiner ebenfalls vorstehend zitierten Entscheidung vom 20.09.2017 (vgl. hierzu Edelmann, BTS 2018 S. 8) sehr hohe Anforderungen an die Aufklärungs- und Hinweispflichten des Kreditinstituts bei Abschluss von Fremdwährungsdarlehen gestellt. Vor diesem Hintergrund kann jedem Kreditinstitut nur empfohlen werden, im Zusammenhang mit dem Abschluss von wechselkursbasierten und strukturierten Darlehensverträgen ihren Darlehensnehmer umfassend entsprechend den Anlageberatungsgrundsätzen zu informieren und aufzuklären.


Beitragsnummer: 444

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